Die wichtige Rolle des PMOs für ein gelungenes Projektportfoliomanagement (PPM) kann nicht oft genug hervorgehoben werden. Doch sind nicht alle PMOs gleich. Im Gegenteil! Denn sie unterscheiden sich unter anderem in ihren Reifegraden. Aber was genau steckt hinter diesen Reifegraden und wieso sollten Sie diese in Ihrer Organisation berücksichtigen? In diesem Artikel werfen wir gemeinsam einen Blick darauf.
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Unser Artikel "Projektportfoliomanagement - Einführung für alle Experten, Praktizierende, und Interessenten" erläutert ausgiebig die Facetten dieses Fachgebiets.
Was steckt hinter dem PMO Maturity Modell?
Wenn in Fachkreisen von dem “PMO Maturity Modell” gesprochen wird, verweisen Experten in der Regel auf das “Organizational Project Management Maturity Model” (OPM3), welches ursprünglich durch das PMI (Project Management Institute) eingeführt wurde. In der Projektportfoliomanagement (PPM) und Projektmanagement (PM) Landschaft existieren jedoch zahlreiche ähnliche Modelle zu diesem Thema (mehr dazu später).
Grob gesagt werden zur Erfassung des Reifegrads meist folgende Dimensionen im Project Management Office bewertet: Prozesse, Governance, Risikomanagement, Ressourcen und Fähigkeiten sowie die Organisationskultur. Anhand dieser Kriterien werden nicht nur die Reifegrade ermittelt, sondern auch Bereiche mit Optimierungsbedarf im Unternehmen identifiziert.
Im Großen und Ganzen haben all diese Modelle jedoch eines gemein: Sie alle liefern einen strukturierten Leitfaden, der dabei unterstützt, den Reifegrad - und damit die übernommenen Aufgaben, die Stellung im Unternehmen und die Fähigkeiten von PMOs einzuordnen. Außerdem liefern die Modelle Organisationen eine Art Roadmap, die sie nutzen können, um ihr PMO weiterzuentwickeln und damit mittelbar das Projektportfoliomanagement und die dazugehörigen Maßnahmen zum Erfolg zu führen - um natürlich am Ende des Tages die strategischen Ziele des Unternehmens zu erreichen.
Kleine Übersicht gefällig? 6 bekannte PMO-Reifegrad-Modelle:
Suchen Sie mal nach “PMO Maturity Model”. Die sich ergebende Liste der Modelle erscheint auf den ersten Blick unendlich lang - dabei ist jedes Modell jedoch individuell. In jedem Fall würde es den Rahmen dieses Artikels sprengen, sie alle im Detail zu beschreiben. Aber um Ihnen einen ersten Eindruck zu vermitteln, geben wir Ihnen gerne eine stark vereinfachte Übersicht über die folgenden sechs Modelle, auf die wir in der Praxis im Projektportfoliomanagement sowie im Projektmanagement häufig treffen.
Portfolio, Programme, and Project Management Maturity Model (P3M3®): Das passende Modell, wenn Sie das Projektportfoliomanagement sowie das Multiprojektmanagement in Ihrer Organisation verbessern möchten.
Project Management Maturity Model (PMMM): Für alles und jeden geeignet, basierend auf den 10 “Knowledge Areas “ des Project Management Body of Knowledge (PMBOK®)
Organizational Project Management Maturity Model (OPM3): Basiert auch auf dem PMBOK®. Es ist sehr detailliert und kann sehr arbeitsintensiv sein, jedoch kann es in jeder Organisation und unabhängig von der Industrie genutzt werden.
Berkeley Project Management Process Maturity Model: Gleichzusetzen mit dem PMMM
Gartner Score Diagnostic Family: Wahrscheinlich das interaktivste Modell von allen, mit dem Ziel, die wichtigsten Bereiche mit Verbesserungspotenzial zu identifizieren.
Capability Maturity Model (CMM): Kommt häufig in Software Unternehmen zum Einsatz
Doch warum sollten Sie sich überhaupt näher mit den Reifegraden beschäftigen? Und welches Modell ist das Beste für das Multiprojektmanagement in Ihrem Projektportfolio?
Die gute Nachricht zuerst: Die Antwort auf die Frage, warum Sie einen genaueren Blick auf diese Modelle werfen sollten, ist leicht zu beantworten. Denn die verschiedenen Modelle versuchen, Ihnen einen bewährten und etablierten Weg aufzuzeigen, mit dem Sie die Projektportfoliomanagement-Fähigkeiten Ihres Unternehmens und Ihres PMOs langfristig steigern können. Kein Rätselraten mehr. Ein klarer Fahrplan für Ihr Portfoliomanagement und das PMO. Wer wünscht sich das nicht?
Welches Modell passt denn nun am besten zu Ihnen und Ihrem Unternehmen?
Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Diese Frage pauschal zu beantworten ist nahezu unmöglich, denn es kommt sehr darauf an, wie Ihr Unternehmen strukturiert ist und wie Sie Ihr Projektportfoliomanagement aktuell gestalten. Aus diesem Grund sollten Sie sich nochmals detailliert mit allen verfügbaren Optionen beschäftigen, um final zu bestimmen, welches Modell Ihre individuellen Anforderungen am besten trifft.
An dieser Stelle gibt es aber eine kleine Abkürzung: Denn die finale Bewertung innerhalb von allen Modellen findet fast immer mittels Gruppen- oder Einzelinterviews statt, zum Teil auch durch einen umfangreichen Fragebogen. Um schnell einen guten Eindruck bezüglich der jeweiligen Modelle zu gewinnen, reicht oft ein Blick auf genau diesen Teil des jeweiligen Modells. Stellen Sie sicher, dass die Befragungsmethoden relevante Fragen beinhalten, die zu Ihrer Industrie und den jeweiligen Herausforderungen, mit denen Sie sich in Ihrer Organisation in Ihren Projekten beschäftigen, passen.
So könnte für Organisationen, die einen strategischen Ansatz für mehrere Projekte und Programme in einem Portfolio suchen, P3M3® passend sein. Im Gegensatz dazu könnte die Gartner Score Diagnostic Family für diejenigen von Vorteil sein, die eine Anleitung zur Identifizierung von Bereichen mit Verbesserungspotenzial benötigen. Sobald Sie ein Gefühl für die Fragen bekommen haben, sollten Sie zudem den Zeit- und Ressourcenaufwand für die Bewertungsphase eines bestimmten Modells einkalkulieren. OPM3-Bewertungen erfordern beispielsweise einen erheblichen Aufwand, der für kleinere Organisationen mit überschaubaren Projekten und Ressourcen eine Herausforderung darstellen könnte.
Sie werden es vielleicht nicht glauben… aber wir haben ein weiteres Reifegradmodell für Sie! Unser eigenes.
Ja, Sie haben richtig gelesen. Wir haben ein weiteres Modell aus dem PPM Bereich, welches wir Ihnen gerne vorstellen würden: unser eigenes, sehr schlankes Modell. Es ist ein Mix verschiedener Ansätze, ohne ernsthaften wissenschaftlichen Hintergrund, der sehr stark auf dem basiert, was wir in der realen Welt im Projektportfoliomanagement finden. Dieses Modell richtet sich an die Praktiker und soll Ihnen einen simplen Überblick darüber geben, wo Sie mit Ihrer Organisation stehen und welche Ziele Sie sich stecken können. Ähnlich wie auch in anderen Modellen, unterscheiden wir in sechs Level:
L1 – Reactive
Auch hier gibt es meist noch kein PMO, dafür teilweise einen sog. PPM Leader (oder auch Multiprojektleiter), der Projektressourcen für zentrale Projekte verwaltet. Ansonsten wird auch hier noch ad-hoc gearbeitet. Erste Prozesse für zentrale Projekte (insb. Reporting) bestehen. Für Projekte werden Budgets geplant und getrackt, allerdings keine Benefits. Die Meilensteinplanung wird zum Teil durch ein PMO / Projektmanagement Tool unterstützt, dennoch gibt es noch keine Portfolio-Aggregation, die Ergebnisse aus unterschiedlichen Projekten zusammenführt
L2 – Developed
In diesem Reifegrad ist ein PMO etabliert, welches alle Projektressourcen für zentrale und strategische Projekte organisiert. Außerdem wurden Prozesse für zentrale Projekte, wie z.B. einen Reporting-Zyklus etabliert. Erste Portfolio-Analysen und Entscheidungen wurden durchgeführt. Projekte haben eine Budgetplanung und -nachverfolgung und in Teilen auch eine Benefit- bzw. Ergebnisplanung, welche jedoch nicht systematisch nachverfolgt wird. Die Meilensteinplanung läuft meist schon Tool-unterstützt, wohingegen die Budgetplanung noch via Spreadsheet durchgeführt wird. Eine Portfolio-Aggregation findet nur für zentrale Projekte statt.
L3 – Integrated
Das PMO organisiert sämtliche Projektressourcen. Projekte werden im gesamten Portfolio priorisiert und freigegeben. Auch Risiken werden zentral erfasst und das Reporting zentral durchgeführt. Für die Projekte gibt es eine Budget-Planung und -Nachverfolgung sowie nun auch eine Benefit-Planung und -Nachverfolgung. Außerdem wird ein PMO-Tool für die Aggregation und Steuerung des Projektportfolios etabliert.
L4 – Efficient
Ein PMO ist etabliert und im Organigramm verortet. Durch den nun gänzlich unternehmensweiten Blick des PMOs wird in diesem Level häufig der Zusatz „(E)PMO“ gewählt, für „Enterprise Projektmanagement Office“. Ähnliche Projekte werden in Programmen zusammengefasst. Für alle Projekte werden Budgets und Benefits geplant und nachverfolgt. Meilensteine, Budgets sowie Benefits und Risiken werden zentral in einem Tool erhoben und aggregiert. Eine zusätzliche Aufgabe des PMOs ist neben dem Multiprojektmanagement die Unterstützung des Change Managements im Unternehmen.
L5 – Optimized
Es besteht ein formaler PMO Karrierepfad und ein passendes Rollenprofil. Die Umsetzung der strategischen Roadmap und der Programm-Roadmap erfolgt zentral via (E)PMO. Für alle Projekte werden Budgets und Benefits geplant und getrackt. Es werden zentral über alle Programme hinweg Szenarien modelliert und softwareseitig durch ein Projektportfoliomanagement (PPM) Tool unterstützt.
Mit welchem Reifegrad schneidet Ihre Organisation ab?
In diesem kurzen Test finden Sie eine erste, grobe Einschätzung.
Ist das höchste Level immer erstrebenswert?
Um ehrlich zu sein: Oft ist es das nicht. Um das höchste Level des Modells zu erreichen, braucht es viel Investment und Commitment. Um genau zu sein, die Art von Investment und Commitment, die letztendlich die Benefits und den Nutzen im Zweifel überkompensieren - gerade dann, wenn ein höheres Level nicht zu Ihrer Organisation passt. Wesentliche Parameter sind dabei die Größe Ihrer Organisation, die Größe des Projektportfolios und dabei zudem die Relevanz der Projekte für die strategischen Ziele des Unternehmens.
Kleine Unternehmen mit nur wenigen Projekten, die neben dem Tagesgeschäft laufen, brauchen nicht unbedingt von Anfang an ein PMO, um Ihre Ziele zu erreichen. Größere Unternehmen, insbesondere in Umbruchzeiten oder in Transformation, in denen zahlreiche strategische Projekte angestoßen werden, profitieren jedoch von einem zentralen Organ, das alle losen Projektteile zusammenhält und die gesamte Projektlandschaft überwacht...
Nordantechs PMO Faustregeln:
An folgende Faustregeln sollten Sie sich im Projekt-Portfoliomanagement halten:
- Es fällt Ihnen schwer, zu beantworten, wie viele Projekte in Ihrer Organisation aktuell laufen und wenn Sie nach dem Gesamtbudget gefragt werden, sind Sie überfragt? Dann ist es definitiv Zeit, über die Einführung eines PMOs für Ihr Multiprojektmanagement zu sprechen.
- Haben Sie das Gefühl, dass es mehr Projektideen als Zeit für deren Umsetzung gibt, oder sind Sie unsicher, welche Projekte Sie verfolgen sollten, um Ihre Strategie umzusetzen? Dann ist es an der Zeit, über Ihr Projektportfoliomanagement zu sprechen.
Mehr zu diesen Faustregeln und auch zu den Aufgaben des PMOs
Mix & Match: Maximale Vorteile durch Kombinationsmöglichkeiten der Level
In unseren täglichen Gesprächen mit Kunden aus den verschiedensten Projekten stellen wir immer wieder fest, dass PMOs im Laufe der Zeit nach und nach ausgereifter werden. Dennoch ist es wichtig zu erkennen, dass eine Kombination verschiedener Reifegrade nicht nur machbar, sondern oftmals auch der effektivste Ansatz ist. Ein häufiges Szenario ist eine Mischung aus den Leveln L2, L3 und L4.
Betrachten wir einmal das folgende Beispiel, in dem bereits ein PMO im Unternehmen etabliert wurde (L2). Dieses PMO ist für die Priorisierung und Genehmigung von wesentlichen, strategischen Projekten auf Portfolio Basis zuständig und erstellt außerdem ein zentrales Reporting für das gesamte Portfolio. Für alle Projekte werden Budgets und Benefits geplant und nachverfolgt (L3). Außerdem gibt es ein geeignetes PPM Tool, das Meilensteine, Budgets, Benefits und andere relevante Informationen zentral zusammenführt und aggregiert (L4). Dieser spezielle Einrichtungsansatz ist ziemlich einfach und generiert für viele Unternehmen schnell einen großen Nutzen.